Ein Dienstagnachmittag in den Herbstferien. Es ist Markt in der Bad Nauheimer Innenstadt und Kurgäste wie Einwohner flanieren trotz des herbstlichen Wetters durch die Straßen. Mittendrin stehen Pfarrerin Brigitte Meinecke und Vikarin Melissa Kaufmann. Vor der Dankeskirche haben sie zwei rote Sessel aufgestellt, auf einem Stehtisch liegen kleine Schokoladentafeln. Die beiden wollen mit Menschen ins Gespräch kommen. Viele schauen im Vorbeigehen neugierig auf das große Schild, das sie aufgestellt haben. „Sprechzeit open air“ ist darauf zu lesen, dazu das Logo der Kirchengemeinde. Namensschilder weisen die beiden als Pfarrerin und Vikarin aus.
Der eine oder die andere bleibt stehen. Lässt sich eine Schokolade schenken und spricht über das Wetter oder dass er ganz dringend weiter muss. Einer mag keine Schokolade. Nüsse wären ihm lieber. Die beiden Frauen versprechen, beim nächsten Mal etwas anderes mitzubringen.
Doch es entwickeln sich auch tiefere Gespräche. Eine ältere Dame ist nach dem Tod ihres Mannes nach Bad Nauheim gezogen. Jetzt gebe es Streit mit den Kindern um das Haus. Erzählt habe sie das schon lange niemandem mehr. Es habe ja nie jemand gefragt. Ein älterer Herr kommt vorbei und will sich noch einmal bedanken. Pfarrerin Meinecke hat ihn neulich wegen einer Auskunft von der Konfifahrt aus angerufen, das habe ihn sehr gefreut.
Beim letzten Mal, erzählt die Pfarrerin, sei ein junger Mann zu ihr gekommen und habe ihr erzählt, dass er ein Problem mit der Kirche habe und sich dort nicht verstanden fühle. Aber auch ein Ehepaar, das bei der Aktion „Einfach heiraten“ mitgemacht hat und noch immer von dem empfangenen Segen schwärmt.
Auch wenn viele nicht stehen bleiben, sondern weitergehen, ist die Aktion für Pfarrerin Brigitte Meinecke und Vikarin Melissa Kaufmann ein Erfolg. In den Sommerferien im vergangenen Jahr hat die Pfarrerin damit angefangen, sich mit Schild und Sesseln in die Öffentlichkeit zu begeben und ein Gespräch anzubieten. „Ich war neu in der Gemeinde und wollte die Mentalität und die Menschen hier kennen lernen, hören was sie bewegt und was sie brauchen“, sagt Brigitte Meinecke. Die Wahrnehmung sei immer positiv, auch wenn manche die Gelegenheit nutzten, um ihrem Frust auf Kirche Luft zu machen. Solange dabei niemand beleidigend oder ausfallend werde, sei das auch in Ordnung. Sie habe aber genauso viele positive Gespräche. In den Ferien setzt sie die Aktion regelmäßig fort. Wer also Ausschau nach Schild und Sesseln hält, kann die Pfarrerin vielleicht selbst in der Stadt entdecken.