Sonntagswort: Memento mori

privat

Pfarrerin Claudia Ginkel, Evangelische Kirchengemeinde Friedberg, schreibt einen Impuls zum Ewigkeitssonntag.

Memento mori
Wenn im antiken Rom ein hoher Offizier nach errungenem Sieg mit dem Triumphwagen durch die Stadt fuhr, stand ein Diener hinter dem Geehrten, der ihm alle paar Minuten ins Ohr flüsterte: „Memento mori!“ Frei übersetzt: „Denk daran, du bist sterblich!“ Ein Ritual, das uns heute irritieren würde. Denn in Momenten, in denen wir besonders glücklich sind oder uns über einen Erfolg freuen, kämen solche Worte sicher nicht so gut an. Der geflüsterte und immer wieder wiederholte Satz hat etwas Makabres. Wir Menschen denken nicht gerne daran, dass wir sterblich sind. Auch wenn der Monat November uns mit der vergehenden Natur und den besonderen Tagen wie dem bevorstehenden Totensonntag damit konfrontiert. Auf vielfältige Weise versuchen wir uns heute der Vergänglichkeit entgegenzustellen. Wir wollen zwar alt werden, aber nicht alt sein. Wir verdrängen den Gedanken, gebrechlich, ja vielleicht sogar einmal dement werden zu können.

Was aber bringt es, wenn ich mir das memento mori sagen lasse? Der Psalm 90 rät: „Lehre uns, unsere Tage zu zählen, damit wir ein weises Herz erlangen.“ Und ich glaube, darum geht es: Die Lebenstage zählen, aktiv bedenken, welchen Sinn sie haben und sich zu vergegenwärtigen, dass sie begrenzt sind. Und bewusst und demütig zu leben in dem Wissen, dass wir alle menschlich und sterblich sind und keiner uns letztlich etwas voraus hat. Eines Tages trifft der Tod jeden. Für Christenmenschen hat der Tod jedoch nicht das letzte Wort. Er ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines neuen Lebens in Gottes Ewigkeit, die den Tod, den Schmerz, das Leid, die Tränen und das Dunkel in Freude und Licht verwandeln wird. In diesem Sinne feiern wir den kommenden Totensonntag getrost als Ewigkeitssonntag.